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Vasari
hat Masaccio die Entdeckung zugeschrieben, "daß
Malerei nichts anderes sei, als ganz einfach die Wiedergabe
der Natur durch Linien und Farben so wie sie die Natur
selbst hervorbringt". Die zeitgenössische Wahrnehmungspsychologie
lehrt uns, daß es sich anders verhält. Ernst
H. Gombrich, der der Psychologie von Abbild und Wirklichkeit
in der Kunst ein umfangreiches Buch - ,,Kunst und Illusion"
-gewidmet hat, erklärt darin: "Die moderne Psychologie
ist sich darüber klargeworden, wie ungeheuer verwickelt
und kompliziert die Wahrnehmungsvorgänge sind, und
sie erhebt nicht den Anspruch, sie ganz zu verstehen."
Seit Vasari haben sich Generationen von Malern und Kunsttheoretikern
mit dem Problem der Naturwiedergabe in der Malerei beschäftigt,
viele der Erkenntnisse, die sich besonders seit dem ausgehenden
19. Jahrhundert angesammelt haben, erlauben die Schlußfolgerung,
daß der Versuch, ein Stück Natur mit Pinsel
und Farbe festzuhalten, immer auf Veränderung hinausläuft.
Anders gesagt: In der Malerei herrschen andere Gesetze
als in der Wirklichkeit. Das Verhältnis von Natur
und Abbild ist immer nur auf Entsprechungen aufgebaut.
Die Bilder von Franz Zadrazil sind häufig Mißverständnissen
ausgesetzt. Hervorgerufen durch Schlampereien, die sich
die Betrachter beim Sehen zuschulden kommen lassen. Vor
allem seine "Ansichten" von Wiener Häuserfassaden
werden immer wieder für minutiös detailgetreue
Reproduktionen von Teilstücken städtischer Wirklichkeit
gehalten. Sie wirken "wie photographiert", was
auch dazu geführt hat, daß Franz Zadrazil seit
seinem ersten erfolgreichen Auftreten in der Öffentlichkeit
mit den amerikanischen und deutschen Photorealisten in
Verbindung gebracht wird.
Bei der Betrachtung Zadrazilscher Bilder, deren Sujets
dem Betrachter bekannt sind, tritt offenbar ein Effekt
ein, der immer wieder beobachtet werden kann, wenn das
menschliche Erinnerungsvermögen auf die Probe gestellt
wird. Das Gedächtnis täuscht uns. Wir sitzen
Vorstellungen auf, die sich uns eingeprägt haben,
die aber falsch oder bestenfalls teilweise richtig sind.
Man freut sich, verblüffende Ähnlichkeit festgestellt
zu haben, und übersieht völlig, daß es
mit ihr im Detail gar nicht so weit her ist. Man nimmt,
was im Bild nur Entsprechung zum tatsächlich Vorhandenen
ist, für bare Münze. Und übersieht, daß
das, was man für perfekte Illusion hält, subtile
Malerei ist. Malerische Umsetzung von Wirklichkeit.
Franz Zadrazils Ansichten von Wiener Häuserfassaden,
um zunächst bei ihnen zu bleiben, sind alles andere
denn Dokumentaraufnahmen. Wer Bild und Realität genau
vergleicht, wird entdek-ken, daß sich Franz Zadrazil
eine Menge Freiheiten herausnimmt, daß er im Zuge
des malerischen Umsetzungsprozesses oft sehr weitgehende
Veränderungen vornimmt, Details wegläßt
oder hinzu erfindet, daß er sich spielerische Verwandlungen
erlaubt und das Vorgefundene nur als Material verwendet,
mit dem er in seiner malerischen Phantasie oft recht großzügig
umspringt.
Beispiele?
Eine Ausschnittdarstellung der Fassade eines Wiener Jugendstilhauses,
des Rüdigerhofes in Wien-Margareten mit einem charakteristischen
Wellenornament im Verputz, wirkt auf den ersten Blick
wie eine Photographie des Motivs. Auf einer Tafel links
vom Haustor steht zu lesen: "Gemalt von Franz Zadrazil
MCMLXXVII." Auf der wirklichen Tafel ist von Franz
Zadrazil selbstverständlich keine Spur zu finden.
In Wahrheit steht dort zu lesen, daß in diesem Haus
einmal der Wiener Liedersänger Ernst Arnold gewohnt
hat. Auch die verwitterte Inschrift in der rechten unteren
Hälfte, die auf ein Lebensmittelgeschäft hindeutet,
ist wie ein paar andere Einzelheiten Zadrazilsche Erfindung.
Noch weiter weg vom Naturvorbild ist Zadrazil in einem
Bild gekommen, das ein altes, heute einsam dastehendes,
ehemaliges Vorstadthaus bei der Stadtbahnstation Kettenbrückengasse
wiedergibt (heute sieht es, dies nebenbei, seit die Fenster
verändert wurden, völlig anders aus).
Davor befindet sich eine mit einer italienischen Landschaft
bemalte Wand, die es dort gar nicht gibt-sondern in Hernals.
Eine Collage also, wenn man so will, eine Komposition
aus zwei Motiven, die der Maler an zwei weit voneinander
entfernt liegenden Punkten Wiens aufgefunden, in einem
Bild zusammengemixt und im Detail wieder verändert
hat.
Auf der neueren Darstellung einer provinziellen amerikanischen
Geschäftsstraße, die von Schriftplakaten beherrscht
wird, thront über allem, wie abschußbereit,
eine popig-bunte Rakete. Auch sie ist Zutat, Zadrazilscher
Zusatz. Photos, die der Künstler aufbewahrt, zeigen
dieselbe Szenerie ohne die Rakete.
Wer Franz Zadrazil bis jetzt für einen malenden Chronisten
gehalten hat, der bestimmte Zustände bestimmter Häuser
und Straßen akribisch auf Genauigkeit bedacht festhält,
sollte diese Vorstellung so schnell wie möglich aufgeben.
Auf den Dokumentaristen Franz Zadrazil ist nur wenig Verlaß.
Nachdem jetzt das Vertrauen in seine Wahrheitsliebe hoffentlich
erschüttert ist, sollte man gleich auch noch die
beiden anderen Mißverständnisse, auf die Zadrazil-Bilder
stoßen, auszuräumen trachten.
Franz Zadrazil sucht in den Städten - längst
ist nicht mehr allein Wien sein Motivlieferant-immer nach
dem Alten. Der üppige Zierat von Gründerzeithäusern,
die elegisch geschwungene Ornamentik von Jugendstilbauten,
die Skurrilitäten auf alten Reklameschildern an verwitterten
Geschäftsportalen beschäftigen seine Phantasie,
reizen den Maler in ihm, alles das, was in alten Städten
Atmosphäre schafft, die man in den nüchtern-sachlichen
Vorstädten oft vermißt, "der kleine Wahnsinn",
wie Zadrazil diese an Groteskem reichen, schmückenden
Zutaten bezeichnet. Sein Blick entzündet sich dabei
eher am Schäbigen, an Dingen mit Patina, an den Häusern,
die Teile ihrer Haut abzustoßen beginnen, von deren
Fassaden Verputz blättert, in deren Mauerwerk es
bröckelt, wo sich ,,etwas abspielt".
Besonders Schlaue haben daraus geschlossen, daß
der Maler Franz Zadrazil ein verkappter Denkmalpfleger
sei und mit seinen Bildern demonstrativ auf das Bewahrenswerte
verweise. Davon nun möchte Franz Zadrazil gar nichts
wissen, weil er seine Bilder in keiner Weise als Ideenträger
interpretiert haben will. Man findet bei Zadrazil keine
Neubauten und nichts Restauriertes, nichts Frischgestrichenes
und fesch Herausgeputztes. Die großen Monumentalbauten
der Vergangenheit interessieren ihn ebensowenig wie das
städtische Leben und seine Hektik. Gaudenzdorf, dort,
wo die Stadtbahnbrücke die Zeile überspannt,
ist für ihn der schönste Platz von Wien. Die
Stadtbahnstationen gehören zu den Motiven, die ihm
am liebsten sind. Aber das Kulturhistorische an ihnen,
die Bedeutung für die Architekturgeschichte als wichtige
Otto-Wagner-Bauten ist ihm herzlich gleichgültig,
die beiden renovierten Kioske auf dem Karlsplatz können
ihm gestohlen werden, funktionsentfremdet und in frischem
Glanz, wie sie jetzt dastehen. Zadrazil ist kein Denkmalschützer,
das neue und penibel Erneuerte ist ihm nur zu wenig interessant
genug - als Inspiration für seine Malerei.
Er fühlt sich weder zum Kämpfer noch zum Ideentransporteur
berufen. Bildermachen versteht er als Handwerk - so wie
Tischlern. Sorgfalt ist ihm Anliegen. Die Atmosphäre
des Traumhaften, die man aus vielen seiner Arbeiten herauszuspüren
vermeint, das seltsam fahle Licht, die verschatteten Fensterhöhlen,
aus denen nirgendwo ein Mensch blickt, geben ihnen einen
Einschlag ins Surreale - Zadrazil lehnt auch solche Interpretationen
ab. Seine Bilder sind, sagt er, keine Vehikel, die Ideologien
des Metaphysischen befördern, ihre Stimmungen hätten
vielmehr mit jenen zurückliegenden Ereignissen zu
tun, aus denen heraus seine ersten Städtebilder entstanden
sind. Mit seinen Beobachtungen auf späten Heimwegen
von ausgedehnten Kaffeehausbesuchen, wenn gegen vier Uhr
früh das erste Licht des anbrechenden Morgens in
die Gassen fiel, wenn alles noch wie leblos dalag. Zadrazil-Bilder
sind Frühmorgen-Bilder eines Spätheimkehrers.
Ihre Schärfe und Präzision sind mit ein Resultat
seiner Vorgangsweise. Franz Zadrazil hat als erster Student
in der Klasse von Rudolf Hausner an der Akademie der bildenden
Künste mit einem Diaprojektor gearbeitet. Er hat
sich damit, wie man aus der Kunstgeschichte weiß,
keineswegs in schlechte Gesellschaft begeben. Malerei
mit technischen Hilfsmitteln ist durchaus nichts Ungewöhnliches
und auch nichts Sträfliches. Zadrazil hält es
bis heute so: Auf die grundierte Novopanplatte projiziert
er die Schwarzweißaufnahme seines Sujets, die Farbe
kommt dann gewissermaßen schon aus der Erinnerung
hinzu. In der Regel stimmt die Hauptfarbe mit dem farbigen
Gesamteindruck der Vorlage überein - ,,Palmers bleibt
grün" -, aber mit der Farbe beginnen die Freiheiten
und beginnt ein oft sehr komplizierter Prozeß des
Werdens und teilweisen Zerstö-rens, des Farbauftrags
und des Abkratzens, des Malens und des Veränderns
des Gemalten. Terpentin ist für ihn ebenso wichtig
wie die Ölfarbe.
So wie Canaletto die Camera obscura verwendet hat, so
verwendet Franz Zadrazil den Diaprojektor. Die Methoden
ähneln einander im Prinzip, die Resultate sind grundverschieden.
Der venezianische Vedutenmaler, der noch viel weniger
über die Kompliziertheit des Wahrnehmungsvorganges
wissen konnte als ein Maler der Gegenwart und auch einen
anderen Begriff von Kunst hatte, strebte tatsächlich
an, was wir heute dokumentarische Genauigkeit nennen,
obschon sich der Wert seiner Veduten keineswegs darin
erschöpft, daß sie für uns heute verhältnismäßig
sehr brauchbare Abbildungen von Häusern und städtischen
Ensembles liefern, die häufig gar nicht mehr existieren
oder bereits sehr stark verändert worden sind. Franz
Zadrazil ist um die Erfahrungen reicher, auf die ein Maler
der Gegenwart aufbauen kann (was in diesem Zusammenhang
nicht die Fehlinterpretation auslösen soll, es würde
behauptet, daß die Malerei im Sinne einer schnurgeraden
Entwicklung immer besser werde). Aber er ist auch ein
Künstler, der sich Skrupel macht.
Ihm steht der Sinn nach dem Malerischen, nach der ,,bonne
peinture". Und er fragt sich gleichzeitig, ob das
alles noch einen Sinn habe. Was er macht, sei letztlich
L'art pour l'art. Inzucht. Den meisten Menschen gefallen
seine Bilder (und Druckgraphiken) auf Grund von Mißverständnissen.
Die Leute kauften, meint er, gleichsam die Geschichten
ein, die kleinen Bildanekdoten, die auf ihnen erzählt
werden. Die Anstrengungen der Malerei, auf die es Zadrazil
ankommt, würden kaum erkannt. Nicht, daß er
sich als großer Unverstandener fühlt, aber
er fragt sich gleichsam nach der Relevanz von Kunst, wie
er sie produziert: "Man hetzt hinter dem absoluten
Ton her, für ein paar wenige, die ihn dann wirklich
hören." Malerei, findet Zadrazil, sei heute
ein Amedium.
Eine derartige sehr nüchterne Einschätzung der
(eigenen) Kunst hängt eng mit persönlichen Erfahrungen
zusammen. Zadrazil war als Künstler Spätstarter,
er entschloß sich erst mit sechsund-zwanzig Jahren,
die Akademie zu besuchen, und war bis vor kurzem Postbeamter,
die letzten Jahre allerdings auf Karenzurlaub. Franz Zadrazil
hat das Leben auch von einer anderen Seite her kennengelernt.
Nicht nur aus der häufig sehr engen, begrenzten Sicht
des Künstlers. Überschätzung seiner Möglichkeiten
liegt ihm fern. Messianismus, der Glaube, heute noch mit
Bildern eine Heilsbotschaft verbreiten zu können
- solche wahnwitzige Selbstüberheblichkeit des Künstlers
ist ihm fremd.
Je länger Franz Zadrazil malt, desto wichtiger wird
für ihn das Malerische. Trotz der Überlegungen,
die er anstellt. Die ,,interessanten" Perspektiven,
die Überschneidungen, alles das, womit er früher
noch Raumillusion beschworen hat, sind aus den Bildern,
die er in den letzten Jahren malte, verschwunden. Er zieht
jetzt gleichsam das zweidimensionale Sujet der Fassade
in die zweidimensionale Bildfläche nach vorne. Das
Bild wird zum flächig gesehenen Fassadenausschnitt,
wobei die Ausschnitte häufig so gewählt werden,
daß fast an Mondrian erinnernde Flächenunterteilungen
entstehen. Gleichzeitig wird die Malerei immer malerischer,
die Erzählung mit der Betonung des Skurrilen und
der Pointierung des amüsanten architektonischen Details
immer unwesentlicher. Die Spuren von Abbröcke-lungsprozessen,
die Verfallserscheinungen an Fassaden und Geschäftsportalen
- das alles wird immer mehr in Malerei aufgelöst.
Zu Beginn seiner Malerkarriere war das anders. In der
Akademiezeit hatten ihn eine Weile die übersteigert
verzerrten Wien-Ansichten der Wiener Mohammedaner, eines
Muhammad Mally, beeindruckt. Auf einem Bild aus dem Jahr
1968, das seinen Wiener Lieblingsort, die Stadtbahnbrücke
bei der Wienzeile, wiedergibt, gerät die Stadtlandschaft
in Bewegung, als ob sie von einem Erdbeben geschüttelt
würde. Häuser stehen schief, die Pylonen der
Brücke streben nach verschiedenen Richtungen auseinander,
die Eisenverstrebungen biegen sich durch. Von solcher
Dramatisierung des Sujets ist Zadrazil wieder abgekommen,
wobei er gerne zugibt, daß Rudolf Hausner, den er
als Lehrer sehr schätzt, seinen weiteren Weg entschieden
hat. Ein Vorstadthaus mit der Reklameinschrift einer Gipsfirma
war der unmittelbare Anlaß. Als Hausner das Bild
sah, auf dem Zadrazil das Sujet dargestellt hatte, gab
er ihm unmißverständlich zu verstehen, daß
er in dieser Richtung weiterarbeiten müsse. In Ansätzen
war da schon vorhanden, was Zadrazil heute auszeichnet.
Auch die Freude am Malerischen.
Noch ein zweiter Lehrer hat, und schon vor Rudolf Hausner,
Zadrazil wesentlich mitgeformt. Ernst Höffinger,
selbst ein Maler von Graden, Franz Zadrazils Zeichenlehrer
in der Mittelschule und heute längst ein guter Freund.
Er hat ihn viel von dem sehen gelehrt, das noch heute
in seinen Bildern eine wichtige Rolle spielt. Das plastische
Gewurl an den Fassaden, die verschiedenartigen Rottöne
von Dachziegeln, die Kleinigkeiten und ihre verschiedenartigen
Schattierungen, aus denen sich das Ganze aufbaut. Durch
Höffinger ist er später zur Künstlergruppe
"Der Kreis" gestoßen, nachdem er 1971
mit Jahrgangskollegen von der Akademie (Gansert, Helnwein,
Wahl, Moog und Molk) im Französischen Saal des Künstlerhauses
- die Gruppe nannte sich damals ,,Zötus" - ausgestellt
hatte.
1972 errang er in einem Wettbewerb der Zentralsparkasse
- Thema: Das Wiener Stadtbild - den ersten Preis. Und
wurde alsbald als Photorealist etikettiert. Zadrazil versichert,
daß er, als er sich 1969 an die ersten Fassadenbilder
machte, keine Ahnung von dem neuen Modetrend hatte, der
1972 auf der documenta 5 in Kassel seinen Höhepunkt
erreichte. Gewiß ist aber Franz Zadrazils Malerei
in ihren Ansätzen auch im Zusammenhang mit einem
neuen Wirklichkeitsverständnis in der Kunst Ende
der sechziger Jahre zu sehen, mit einem neu aufgeflammten
Interesse an der Umwelt, an der Natur, vor allem aber
an der städtischen Umgebung. Erst in diesem Kontext,
in den auch die verschiedenen Denkmalschutz- und Altstadterhaltungsbestrebungen
gehören, sind die Fehl- und Überinterpretationen,
die Zadrazils Bilder erfuhren, ganz zu verstehen.
Kunst, die ankommt- und Zadrazils Bilder sind angekommen
- stillt meist bestimmte Bedürfnisse <4er Zeitgenossen.
Dabei ist es gleichgültig, ob die Intentionen des
Malers ursprünglich auf solche Bedürfnisstillung
gerichtet waren oder nicht, ob er dem Zeitgeist bewußt
Rechnung trägt oder ob er unbewußt eine Zeitstimmung
erspürt, ihr vielleicht sogar unterliegt. Die Periode,
in der der Zierat von Fassaden abgeschlagen werden konnte,
ohne daß sich Widerspruch regte, war Ende der sechziger
Jahre vorbei. Man entdeckte den Jugendstil wieder und
die Gründerzeit, das Ornament, lange Zeit hindurch
verpönt, kam wieder zu Ehren, Architekturtheoretiker
und Psychologen fanden heraus, daß die Nüchternheit
des doktrinären Funktionalismus dem Menschen seelisch
schade.
Es ist auch hier wieder gleichgültig, ob da nun zeitlose
Wahrheiten entdeckt wurden (von denen es fraglich ist,
ob es sie überhaupt gibt) oder nur der Zeit entsprechende
Theorien zeitbedingt zum Durchbruch kamen; es hat schließlich
umgekehrt auch in der ornamentfeindlichen Epoche Menschen
gegeben, die das Ornament in der Architektur und reich
instrumentierte Fassaden schätzten und liebten, sogar
verteidigten. Sicher ist, daß der Maler Franz Zadrazil
mit seinen persönlichen Vorlieben sozusagen auf gleicher
Welle mit Zeitempfindungen lag, die immer stärker
auch in den Medien Niederschlag fanden und derart weiter
verbreitet wurden. Daß man in ihm mehr den malenden
Dokumentaristen sah als den Maler war ein seinem Durchbruch
offensichtlich förderliches Mißverständnis.
Aber auch wieder - und das muß man relativierend
festhalten - nicht nur ein Mißverständnis.
Der Maler verhält sich ja nicht grundlegend anders
als seine Mitmenschen. Auch wenn Franz Zadrazil die Häuser
und Häusergruppen, die Geschäftsportale und
Fassadenzonen beim Malen verwandelt, so steckt doch der
magische Aneignungstrieb dahinter, von dem jeder Mensch
in der einen oder anderen Form besessen ist. Mit jedem
,,Klick" des Verschlusses nimmt etwa der Photograph
etwas für sich in Besitz. Zadrazil eignet sich die
Dinge gleich zweimal an. Wenn er photo-graphiert und wenn
er malt. Auch Malen ist ein Akt des Festhaltens, des Aneignens,
des Fürsichgewinnens. Zadrazil photographiert und
malt (und nimmt damit in Besitz), was ihn fasziniert,
was ihm gefällt. So gesehen, findet seine Malerei
gewissermaßen auf zwei Ebenen statt. Daß das,
was sich auf der einen, auf jener der reinen Malerei abspielt,
von weniger Menschen verstanden und goutiert wird, ist,
was ihm Kopfzerbrechen verursacht, ihn eine skeptische
Haltung im Hinblick auf seine soziale Rolle einnehmen
läßt.
,,Bei einem wirklich vielschichtigen Bau oder einer städtebaulichen
Situation will das Auge bei seiner Suche nach der Einheit
des Ganzen nicht zu schnell, nicht zu leicht zufriedengestellt
werden", schreibt der amerikanische Architekt Robert
Venturi in seinem Buch ,,Komplexität und Widerspruch
in der Architektur". Ein Satz, der, entsprechend
abgewandelt, auch für Franz Zadrazils Malerei Geltung
hat. |
Harald Sterk
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Ausschnitte aus einem Gespräch, das Gerbert Frodl
am 8. März 1979
mit Franz Zadrazil geführt hat.
|
F:
Ich würde jetzt gern von Ihnen hören, wie der
Werdegang Ihrer Bilder aussieht - in technischer Hinsicht.
Sie machen ein Foto, erhalten dann ein Negativ, das Sie
an die Wand projizieren.
Z: Meistens mal ich
auf Novopanplatten, die beidseitig grundiert sind mit
einem Kreide-Leim-Grund. Der klassische magere Grund.
Die Zeichnungen nach der Projektion schauen sehr verschieden
aus. Einmal passiert da sehr viel, sehr genau gezeichnet;
oder einmal passiert nur sehr wenig, da wird nur angedeutet,
wo die Sachen sitzen - Flecken, Flächen. Und dann
gehts völlig unterschiedlich los: Entweder ich fang
gleich an zum Hinaufpappen. Gewöhnliche Ölfarbe.
Meistens mal ich mit einem Malmittel, das mit Terpentin
stark verdünnt ist. Ich mach mir sehr wenig Sorgen,
wie es den Bildern gehen wird, später einmal.
F: Sie meinen im
konservatorischen Sinn?
Z: Ja. Ich verwende
neben der Ölfarbe relativ viele Mittel, die professionelle
Schildermaler verwenden - Kunstharzlacke usw. Die Sachen
halten aber gut. In den zehn Jahren, seit ich so male,
hab ich keine Veränderungen bemerkt. Wahrscheinlich
ist das so, weil die verschiedenen Schichten sehr dünn
und daher elastisch sind.
F: Also keine Probleme
für die Nachwelt. Dem Betrachter Ihrer Bilder fällt
aber zuerst das "Was" ins Auge und erst danach
das "Wie". Und er wird sich fragen, auf welche
Weise Sie zu Ihren Motiven kommen.
Z: Na ja, da sind
die zwei Möglichkeiten: gezielt oder zufällig.
Gezielt ist so: wenn ich in fremden Städten bin,
wo ein bestimmter Zeitdruck herrscht, da ist der Fotoapparat
immer dabei, und ich geh herum und such fündige Gegenden,
in denen sich möglichst viel abspielt in meiner Richtung.
F: Vorstadt?
Z: Ja, eher schon.
Schon aus Angst vor dem ,,schönen" Stadtzentrum,
wo alles abgeschaut ist, wo es keine weißen Flecken
mehr gibt. Aber auch das Gspür spielt eine Rolle,
wo es dichter, reicher wird. Natürlich ist Abbruch
und Slum verlockend; bringt für mich aber gar nicht
so viel, weil ich lieber die Sensation in dem, was man
normal nennt, entdecke.
F: Und die andere
Möglichkeit?
Z: Mit den ungezielten,
den zufälligen Funden ist das so: wenn ich unterwegs
bin, reißt's mich - also das muß ich machen
-, dann geh ich wieder hin, mach das Foto - oder auch
nicht.
F: Warum - oder auch
nicht?
Z: Weil's sein kann,
daß es schon abgedacht worden ist über die
Nacht, weil's zu dünn geworden ist durch den zeitlichen
Abstand, der Gag zu schwach geworden ist oder auch zu
stark. Auch kann es sein, daß es einer Sache zu
ähnlich ist, die ich schon einmal gemacht hab, oder
es steht ein Lastwagen, ein riesiger, davor.
F: Geht es auch umgekehrt
- daß eine Sache, die Ihnen nie aufgefallen ist
oder die Sie nie bemerkenswert gefunden haben, plötzlich
ins Auge springt?
Z: Ja, das kommt sehr
häufig vor, daß es einen plötzlich reißt
bei Sachen, an denen man schon ewig vorbeigegangen ist.
Nachdem ich zwanzig Jahre Stadtbahn gefahren bin, ist
mir aufgefallen, wie traumhaft schön die abgeblätterten
Wände in den Hallen sind.
F: Dann sehen Sie
also etwas: so eine Wand, ein Geschäftsportal, eine
Fassade. Haben Sie dann sofort eine Vorstellung von dem,
was daraus werden könnte?
Z: Nein, überhaupt
nicht, oder eine völlig falsche. Es ist oft so, daß
mir der Gag an der Sache imponiert, und letztlich wird's
eine formale Angelegenheit, wenn ich's dann mach. Und
umgekehrt so, daß ich bei einer Geschichte, die
mich formal anspringt, daß ich sie dann völlig
ausmal, weil ich eine Geschichte, eine Assoziation drinnen
gefunden hab. Das kann ich vorher nie wissen.
F: Das heißt,
es ergibt sich die endgültige Form - oder eine Form
überhaupt - erst im Lauf der Arbeit.
Z: Das ist richtig.
F: Die Idee . . .
Z: Die Idee - da kommt
die Ausschnittsuche dazu und vor allem die Brauchbarkeit
des Fotos. Es entstehen ja große Verzerrungen. Da
muß man sehr viel herumbasteln.
F: Sie haben also
ein Foto - meistens schwarzweiß oder immer schwarzweiß?
Z: Immer schwarzweiß,
weil ich kein Vertrauen zum Farbfoto hab, weil das einfach
nie stimmt und vor allem viel mehr verzerrt. Ein Schwarzweiß-Foto
ist viel realistischer als ein Farbfoto.
F: Wann und wie sind
Sie auf die Idee gekommen zu projizieren?
Z: Ja, mein Gott!
Idee! Das ist eine Geschichte, die einfach passiert ist.
Ich hab sehr viel fotografiert- und zwar ganze Gegenden
und Landschaften, die mir imponiert haben und wo ich viel
Substanz gespürt hab.
F: Hat das schon mit
richtigen Arbeitsvorlagen zu tun gehabt?
Z: Nein, noch nicht.
Das war eine reine Fotogeschichte. Wenn es wo stimmungsvoll
war oder wenn es ein bißl Atmosphäre gehabt
hat
- das war dann in den Fotos meistens weg. Dann bin ich
draufgekommen, daß das alles Sujets waren, die für
mich nicht malbar waren.
F: In welchem Sinn
- nicht malbar?
Z: Das waren in die
Tiefe gehende Landschaften mit sehr vielen kleinen Geschichten,
mit Perspektive - ganz nach hinten. Und das war einfach
nicht zu machen, weil es zu einer Malerei hingeführt
hätte, die für mich schon sehr abgespielt war.
Dann bin ich draufgekommen, daß genau diese Stimmungen
auch in zweidimensionalen Objekten drinnen sind
- also nur in Wänden -, und die waren für mich
dann erfaßbar. Draufgekommen bin ich eigentlich
auf das große Format und auf die Freude an der Struktur,
wie ich meine Wohnung hergerichtet habe. Da hab ich angefangen,
Dämmplatten zu spachteln. Die waren zuerst gelb,
und dann hab ich mit einem weißgelblichen Kitt verspachtelt.
Und da bin ich plötzlich draufgekommen, was das für
feine Werte sind. Darum hab ich auch die ersten Bilder
auf Dämmplatten gemalt.
F: Bei diesen Zimmerwänden
war es doch auch der Reiz des Zufalls, der Sie angezogen
hat. Und bei Ihren frühen Bildern gab es auch Effekte,
die vom Zufall bestimmt waren.
Z: Ja. Der Zufall
spielt auch heute noch eine große Rolle bei den
Bildern. So kontrolliert die Sachen ausschauen, es ist
sehr viel dem Zufall überlassen, weil der Anfang
völlig ungeplant ist. Ich weiß nie, wie ich
ein Bild anfangen werde. Es schaut ja nach jeder Projektion
anders aus. Entweder ist sehr viel draufgezeichnet auf
die Platte, oder es ist ganz wenig drauf.
F: Ein unfertiges
Bild zu fotografieren und das Negativ wieder zu projizieren
und dann weiter zu tun ...
Z: Das hab ich mir
schon gedacht. Ein Bild stehen zu lassen und das nächste
anzufangen. Von einem Gegenstand fünf Bilder zu machen.
Das ist derselbe Effekt, als hätte man Filmnegativmaterial
fünf verschiedenen Leuten zum Schneiden gegeben.
F: Hätte das
mit Malerei noch viel zu tun?
Z: Ja, das weiß
ich eben auch nicht. Ich bin sehr ungeschickt. Das klingt
komisch, weil alles perfekt ausschaut. Aber im Prinzip
ist alles unrichtig und unperfekt.
F: Die Leute, die
das Bild anschaun, glauben, es sei perfekt.
Z: Und für die
muß ein Bild leicht ausschaun. Nicht geplagt. Aber
ich muß mich unheimlich plagen. Dadurch entstehen
automatisch Korrekturen: wegwaschen, noch einmal drüber.
F: Sie haben mir von
Ihrer Lust, von Ihrem Drang zum Weitermalen erzählt.
Daß Sie ein ,,unfertiges" Bild nicht stehen
lassen können.
Z: Das ist fast eine
zwanghafte Geschichte. Es ist oft so, daß ein Bild
unheimlich gut ausschaut- durch Zufall, wenn da viel Flecken
stehen. Der Aquarell-Effekt mit viel Weiß. Daß
also ein Bild sehr reizvoll ist, manchmal klaß aussieht,
völlig abstrakt ist und abstrakte Möglichkeiten
zum Weitermalen sich ergeben. Also nicht, daß man
sagt: da ein bißl dazu - ist schon fertig. Und ich
hab immer höchstes Mißtrauen, wenn ein Bild
"pfluscht", wenn es glatt geht, wenn alles sitzt
und wenn es gut ausschaut.
F: Machen Sie sich
eigentlich Farbnotizen, wenn Sie ein mögliches Bildmotiv
entdecken, es in sich aufnehmen, fotografieren?
Z: Nein, bewußt
nicht. Aber natürlich wird von der Stimmung her ein
Eindruck da sein, und da wird es keine eklatanten Unmöglichkeiten
geben. Palmers ist grün - wie schon gesagt.
F: Sie bleiben also
im Rahmen der Wahrscheinlichkeit.
Z: Versuch es aber
mit Wahnsinnigkeiten, die von mir kommen, die aber dann
nicht auffallen. Völlig unrealistische Sachen, die
voll akzeptiert werden.
F: Das Verfremden
von Farben und von Dingen macht Ihnen einfach Spaß.
Z: Ja. Eigentlich
ist es schon so, daß ich gern einen Nachvollzug
hätte. Das ist ja dann ein eigenes Kapitel - über
Kontakt, Publikum, Resonanz usw. Aber meistens ist es
so, daß die Leute viel zu schnell an den Bildern
vorbeigehen. Trotz meiner vielen Unrichtigkeiten und lancierten
Unorthodoxheiten vereinnahmen sie die Bilder, wie sie
den amerikanischen Realismus kassieren, der bewußt
auf einer Illusion aufgebaut ist. Mir passiert immer wieder,
daß ich die Betrachtungsgewohnheiten der Leute falsch
einschätze. Sie schauen oberflächlich über
das Bild hinweg. Ich habe ein Bild von Mikl gesehen -
Tuschglas und Vase -, das war deutlich zu erkennen. Er
hat erzählt, daß viele Leute das nicht sehen.
F: Sie bauen ja Ihre
Bilder nicht eigentlich auf der Illusion auf. Sie wollen
auch, denke ich, Stimmungen im Betrachter Ihrer Bilder
auslösen.
Z: Das ist jetzt schwierig.
Der Realismus taugt mir deshalb so, weil er die Persönlichkeit,
zumindest in der Theorie, möglichst ausschaltet.
Ich hab furchtbar Angst vor dem Herzerl. Und der Realismus
scheint mir die Möglichkeit zu bieten, das Herz auszuschalten.
F: Das scheint Ihnen
gelungen zu sein.
Z: Na ja. Wenn Sie
aber sagen, es sind Stimmungen drin, dann ist ja Herz
drin.
F: Sicher. Aber in
dem Augenblick, in dem Sie finden, daß diese Türen,
die vielleicht braun oder grün waren, orange sein
sollen, weil das zur Schrift da oben oder zum Gesamtcharakter
des Bildes besser paßt, wie Sie ihn sich mit der
Zeit immer klarer vorstellen -in dem Augenblick erzeugen
Sie ja etwas, was unrealistisch ist, Sie nehmen etwas
von sich selbst ins Bild hinein.
Z: Das laßt
sich ja nicht vermeiden.
F: Das Finden von
Motiven ist eine emotionelle Angelegenheit, die Umsetzung
ins Bild eine Arbeit, die mit Gefühlen nichts zu
tun hat.
Z: Aber Sie haben
recht damit, daß es die Leute als Stimmung registrieren.
Und es kommen ja sehr viele Sachen heraus, die ich sicher
nicht hineingegeben habe, wie pessimistisch und morbid,
traurig und dumpf usw. Also das sind Sachen, die ich mit
großer Verwunderung höre.
F: Es ist aber so.
Derartige Eindrücke hat man vor vielen Ihrer Bilder.
Z: Da kann ich nichts
dafür.
F: Sie wollen die
Erzeugung von Stimmung gar nicht?
Z: Nein, überhaupt
nicht. Für mich ist das eine ganz coole Umbauarbeit
an der Wirklichkeit, bis alles in meine Vorstellungswelt
von einem Bild oder von der Malerei hineinpaßt.
Im Prinzip ist das eine L'art pour l'art Angelegenheit,
reine, konkrete Malerei.
F: Damit unterscheiden
Sie sich aber - jetzt abgesehen vom Technischen . . .
Z: Ich bin untechnisch.
F: ... doch auch wesentlich
vom Fotorealismus.
Z: Ja sicher. Obwohl
ja die Fotorealisten sehr sauber malen. Die amerikanischen
Bilder sehen immer aus, als ob New York in der Schweiz
läge. Es ist alles unheimlich glatt und unheimlich
dünn gemalt. Von einer ganz anderen Richtung der
Auffassung von der Malerei herkommend. "Wie ist das
gemacht?" soll sich das Publikum fragen.
F: Noch einmal zu
Ihren Motiven.
Wenn Sie etwas sehen, sich vorstellen, "da könnte
ich etwas daraus machen", dann ist das oft etwas
Merkwürdiges, etwas, das nicht ganz zu unseren Vorstellungen
von gut und sauber entspricht. Eine halbverwaschene Reklamewand,
eine fleckige Feuermauer usw. Das wird dann durch die
Veränderungen, die Sie unter Umständen anbringen,
noch merkwürdiger, vielleicht sogar ein wenig skurril.
Kommen Sie während der Arbeit an einem Bild auf Ideen,die
solche Eindrücke noch verstärken können?
Z: Ja sicher. Ja,
ich trag schon dick auf.
F: So etwa, wie ein
Porträtmaler, der eine charakteristische Eigenheit
eines Mannes besonders hervorhebt?
Z: Richtig. Aber ich
fürchte, das ist etwas geschmeichelt.
F: Sie haben mir einmal
erzählt, daß Sie öfter vor der Entscheidung
stehen, ob Sie ein Motiv einrahmen, das heißt also,
etwas so wiedergeben, wie es "ist", oder ob
Sie stilisieren, vereinfachen, verändern sollen.
Z: Ja, das liegt in
der Natur des Objektes, und es hängt damit zusammen,
was es wird. Ich weiß vorher noch nicht, ob es ein
"Porträt" wird, ein genaues, oder ob ich
damit was mach - also hin zur Kunstgeschichte, ich meine
zu bewußt und unbewußt angesammelten Erfahrungen
und Zwängen, zur Tradition. Das hängt davon
ab, wie stark die Sache in sich selber ist. Am Anfang
war das noch viel stärker. Und wahrscheinlich ist
das in der Zeit gelegen, Ende der sechziger Jahre, wo
gleichzeitig die Dialektwelle entstanden ist, wo auch
nichts anderes passiert ist, zum Beispiel beim Wolfgang
Bauer in ,,Magic afternoon". Wo seine Tonbandaufzeichnungen
in Szenen gefaßt worden sind, quasi eingerahmt ins
Theaterstück. Und das hab ich lange Zeit auch so
gemacht: daß ich etwas gefunden hab, das in sich
so gut war- schon rein von der Komposition der Dinge her,
die drinnen waren. Die mußte ich dann einfach übernehmen,
und ich habe den Versuch gemacht, das möglichst realistisch
zu malen und einfach die Geschichte von dort, wo sie war,
wegzunehmen. Journalismus.
F: Meinen Sie Reportage,
wahre Geschichten aus dem Leben?
Z: Zum Teil. In letzter
Zeit geht's eher dorthin: vom offensichtlichen, vom geschwinden
Gag weg zur artifiziellen Geschichte, zum Umbau, zur Reduzierung.
Früher bin ich fast wie die Amerikaner bis zur Wiedergabe
der kleinsten Schrift gegangen. Das wird jetzt immer großzügiger,
und es wird möglich, daß ich bewußt was
vergesse. Das hätte ich früher nicht gemacht.
F: Daß die Realität
Ihnen nicht nur zu wenig war, sondern daß sie Ihrer
Vorstellung von richtig nicht entsprochen hat.
Z: Ja.
F: Wenn wir schon
über den Begriff Realismus sprechen, so drängt
sich die Versuchung auf, den Vergleich mit den Fotorealisten
anzustellen; mit den Amerikanern, den Deutschen. Sie haben
ja eine ganz bestimmte Vorstellung, wodurch sich Ihre
Malerei von diesen unterscheidet.
Z: Also zunächst-
ich will mich nicht krampfhaft unterscheiden. Trotzdem
Unterscheidung: die erste haben wir ohnehin schon kurz
angerissen. Das Herkommen. Die Amerikaner und Deutschen
kommen von der Plakatmalerei (ich meine das nicht abwertend),
vom Filmplakat, das es nicht mehr gibt. Grützke wäre
ein Filmplakatmaler, ein klassischer, der jeden Tag ein
Filmplakat hätte malen können. Mein Herkommen:
ich hab sehr viel durch den Höffinger in der Mittelschule
von der französischen Malerei intus gekriegt. Für
mich ist Braque der Chef. Was ich unter Malerei verstehe,
ist bei ihm für mich am greifbarsten. Mir gefällt
der Arbeiter in ihm. Die erarbeitete Beziehung von Formen
und Farben zueinander; dabei die Schlichtheit, das Gefühl
für das Materielle der Farbe, für die "Dicke"
im Bild. Noch ein wesentlicher Unterschied ist, daß
ich mit gebrauchsgraphischen Mitteln nicht arbeite oder
nicht arbeiten soll. Mit den Mitteln des geschwinden Effekts.
Da gehört auch das Spiel mit dem Raum und der Tiefe
dazu. Bei mir sind die Sachen nicht so richtig; sie sind
"ungekonnt" erarbeitet. Aber dafür sind
sie "dicker" und malerischer.
F: Sie sind wesentlich
malerischer. Das ist doch ein sehr österreichischer
Zug.
Z: ja, das stimmt.
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