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Vasari hat Masaccio die Entdeckung zugeschrieben, "daß Malerei nichts anderes sei, als ganz einfach die Wiedergabe der Natur durch Linien und Farben so wie sie die Natur selbst hervorbringt". Die zeitgenössische Wahrnehmungspsychologie lehrt uns, daß es sich anders verhält. Ernst H. Gombrich, der der Psychologie von Abbild und Wirklichkeit in der Kunst ein umfangreiches Buch - ,,Kunst und Illusion" -gewidmet hat, erklärt darin: "Die moderne Psychologie ist sich darüber klargeworden, wie ungeheuer verwickelt und kompliziert die Wahrnehmungsvorgänge sind, und sie erhebt nicht den Anspruch, sie ganz zu verstehen."

Seit Vasari haben sich Generationen von Malern und Kunsttheoretikern mit dem Problem der Naturwiedergabe in der Malerei beschäftigt, viele der Erkenntnisse, die sich besonders seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert angesammelt haben, erlauben die Schlußfolgerung, daß der Versuch, ein Stück Natur mit Pinsel und Farbe festzuhalten, immer auf Veränderung hinausläuft. Anders gesagt: In der Malerei herrschen andere Gesetze als in der Wirklichkeit. Das Verhältnis von Natur und Abbild ist immer nur auf Entsprechungen aufgebaut.

Die Bilder von Franz Zadrazil sind häufig Mißverständnissen ausgesetzt. Hervorgerufen durch Schlampereien, die sich die Betrachter beim Sehen zuschulden kommen lassen. Vor allem seine "Ansichten" von Wiener Häuserfassaden werden immer wieder für minutiös detailgetreue Reproduktionen von Teilstücken städtischer Wirklichkeit gehalten. Sie wirken "wie photographiert", was auch dazu geführt hat, daß Franz Zadrazil seit seinem ersten erfolgreichen Auftreten in der Öffentlichkeit mit den amerikanischen und deutschen Photorealisten in Verbindung gebracht wird.

Bei der Betrachtung Zadrazilscher Bilder, deren Sujets dem Betrachter bekannt sind, tritt offenbar ein Effekt ein, der immer wieder beobachtet werden kann, wenn das menschliche Erinnerungsvermögen auf die Probe gestellt wird. Das Gedächtnis täuscht uns. Wir sitzen Vorstellungen auf, die sich uns eingeprägt haben, die aber falsch oder bestenfalls teilweise richtig sind. Man freut sich, verblüffende Ähnlichkeit festgestellt zu haben, und übersieht völlig, daß es mit ihr im Detail gar nicht so weit her ist. Man nimmt, was im Bild nur Entsprechung zum tatsächlich Vorhandenen ist, für bare Münze. Und übersieht, daß das, was man für perfekte Illusion hält, subtile Malerei ist. Malerische Umsetzung von Wirklichkeit.

Franz Zadrazils Ansichten von Wiener Häuserfassaden, um zunächst bei ihnen zu bleiben, sind alles andere denn Dokumentaraufnahmen. Wer Bild und Realität genau vergleicht, wird entdek-ken, daß sich Franz Zadrazil eine Menge Freiheiten herausnimmt, daß er im Zuge des malerischen Umsetzungsprozesses oft sehr weitgehende Veränderungen vornimmt, Details wegläßt oder hinzu erfindet, daß er sich spielerische Verwandlungen erlaubt und das Vorgefundene nur als Material verwendet, mit dem er in seiner malerischen Phantasie oft recht großzügig umspringt.
Beispiele?
Eine Ausschnittdarstellung der Fassade eines Wiener Jugendstilhauses, des Rüdigerhofes in Wien-Margareten mit einem charakteristischen Wellenornament im Verputz, wirkt auf den ersten Blick wie eine Photographie des Motivs. Auf einer Tafel links vom Haustor steht zu lesen: "Gemalt von Franz Zadrazil MCMLXXVII." Auf der wirklichen Tafel ist von Franz Zadrazil selbstverständlich keine Spur zu finden. In Wahrheit steht dort zu lesen, daß in diesem Haus einmal der Wiener Liedersänger Ernst Arnold gewohnt hat. Auch die verwitterte Inschrift in der rechten unteren Hälfte, die auf ein Lebensmittelgeschäft hindeutet, ist wie ein paar andere Einzelheiten Zadrazilsche Erfindung.

Noch weiter weg vom Naturvorbild ist Zadrazil in einem Bild gekommen, das ein altes, heute einsam dastehendes, ehemaliges Vorstadthaus bei der Stadtbahnstation Kettenbrückengasse wiedergibt (heute sieht es, dies nebenbei, seit die Fenster verändert wurden, völlig anders aus).
Davor befindet sich eine mit einer italienischen Landschaft bemalte Wand, die es dort gar nicht gibt-sondern in Hernals. Eine Collage also, wenn man so will, eine Komposition aus zwei Motiven, die der Maler an zwei weit voneinander entfernt liegenden Punkten Wiens aufgefunden, in einem Bild zusammengemixt und im Detail wieder verändert hat.
Auf der neueren Darstellung einer provinziellen amerikanischen Geschäftsstraße, die von Schriftplakaten beherrscht wird, thront über allem, wie abschußbereit, eine popig-bunte Rakete. Auch sie ist Zutat, Zadrazilscher Zusatz. Photos, die der Künstler aufbewahrt, zeigen dieselbe Szenerie ohne die Rakete.

Wer Franz Zadrazil bis jetzt für einen malenden Chronisten gehalten hat, der bestimmte Zustände bestimmter Häuser und Straßen akribisch auf Genauigkeit bedacht festhält, sollte diese Vorstellung so schnell wie möglich aufgeben. Auf den Dokumentaristen Franz Zadrazil ist nur wenig Verlaß. Nachdem jetzt das Vertrauen in seine Wahrheitsliebe hoffentlich erschüttert ist, sollte man gleich auch noch die beiden anderen Mißverständnisse, auf die Zadrazil-Bilder stoßen, auszuräumen trachten.

Franz Zadrazil sucht in den Städten - längst ist nicht mehr allein Wien sein Motivlieferant-immer nach dem Alten. Der üppige Zierat von Gründerzeithäusern, die elegisch geschwungene Ornamentik von Jugendstilbauten, die Skurrilitäten auf alten Reklameschildern an verwitterten Geschäftsportalen beschäftigen seine Phantasie, reizen den Maler in ihm, alles das, was in alten Städten Atmosphäre schafft, die man in den nüchtern-sachlichen Vorstädten oft vermißt, "der kleine Wahnsinn", wie Zadrazil diese an Groteskem reichen, schmückenden Zutaten bezeichnet. Sein Blick entzündet sich dabei eher am Schäbigen, an Dingen mit Patina, an den Häusern, die Teile ihrer Haut abzustoßen beginnen, von deren Fassaden Verputz blättert, in deren Mauerwerk es bröckelt, wo sich ,,etwas abspielt".

Besonders Schlaue haben daraus geschlossen, daß der Maler Franz Zadrazil ein verkappter Denkmalpfleger sei und mit seinen Bildern demonstrativ auf das Bewahrenswerte verweise. Davon nun möchte Franz Zadrazil gar nichts wissen, weil er seine Bilder in keiner Weise als Ideenträger interpretiert haben will. Man findet bei Zadrazil keine Neubauten und nichts Restauriertes, nichts Frischgestrichenes und fesch Herausgeputztes. Die großen Monumentalbauten der Vergangenheit interessieren ihn ebensowenig wie das städtische Leben und seine Hektik. Gaudenzdorf, dort, wo die Stadtbahnbrücke die Zeile überspannt, ist für ihn der schönste Platz von Wien. Die Stadtbahnstationen gehören zu den Motiven, die ihm am liebsten sind. Aber das Kulturhistorische an ihnen, die Bedeutung für die Architekturgeschichte als wichtige Otto-Wagner-Bauten ist ihm herzlich gleichgültig, die beiden renovierten Kioske auf dem Karlsplatz können ihm gestohlen werden, funktionsentfremdet und in frischem Glanz, wie sie jetzt dastehen. Zadrazil ist kein Denkmalschützer, das neue und penibel Erneuerte ist ihm nur zu wenig interessant genug - als Inspiration für seine Malerei.

Er fühlt sich weder zum Kämpfer noch zum Ideentransporteur berufen. Bildermachen versteht er als Handwerk - so wie Tischlern. Sorgfalt ist ihm Anliegen. Die Atmosphäre des Traumhaften, die man aus vielen seiner Arbeiten herauszuspüren vermeint, das seltsam fahle Licht, die verschatteten Fensterhöhlen, aus denen nirgendwo ein Mensch blickt, geben ihnen einen Einschlag ins Surreale - Zadrazil lehnt auch solche Interpretationen ab. Seine Bilder sind, sagt er, keine Vehikel, die Ideologien des Metaphysischen befördern, ihre Stimmungen hätten vielmehr mit jenen zurückliegenden Ereignissen zu tun, aus denen heraus seine ersten Städtebilder entstanden sind. Mit seinen Beobachtungen auf späten Heimwegen von ausgedehnten Kaffeehausbesuchen, wenn gegen vier Uhr früh das erste Licht des anbrechenden Morgens in die Gassen fiel, wenn alles noch wie leblos dalag. Zadrazil-Bilder sind Frühmorgen-Bilder eines Spätheimkehrers.

Ihre Schärfe und Präzision sind mit ein Resultat seiner Vorgangsweise. Franz Zadrazil hat als erster Student in der Klasse von Rudolf Hausner an der Akademie der bildenden Künste mit einem Diaprojektor gearbeitet. Er hat sich damit, wie man aus der Kunstgeschichte weiß, keineswegs in schlechte Gesellschaft begeben. Malerei mit technischen Hilfsmitteln ist durchaus nichts Ungewöhnliches und auch nichts Sträfliches. Zadrazil hält es bis heute so: Auf die grundierte Novopanplatte projiziert er die Schwarzweißaufnahme seines Sujets, die Farbe kommt dann gewissermaßen schon aus der Erinnerung hinzu. In der Regel stimmt die Hauptfarbe mit dem farbigen Gesamteindruck der Vorlage überein - ,,Palmers bleibt grün" -, aber mit der Farbe beginnen die Freiheiten und beginnt ein oft sehr komplizierter Prozeß des Werdens und teilweisen Zerstö-rens, des Farbauftrags und des Abkratzens, des Malens und des Veränderns des Gemalten. Terpentin ist für ihn ebenso wichtig wie die Ölfarbe.

So wie Canaletto die Camera obscura verwendet hat, so verwendet Franz Zadrazil den Diaprojektor. Die Methoden ähneln einander im Prinzip, die Resultate sind grundverschieden. Der venezianische Vedutenmaler, der noch viel weniger über die Kompliziertheit des Wahrnehmungsvorganges wissen konnte als ein Maler der Gegenwart und auch einen anderen Begriff von Kunst hatte, strebte tatsächlich an, was wir heute dokumentarische Genauigkeit nennen, obschon sich der Wert seiner Veduten keineswegs darin erschöpft, daß sie für uns heute verhältnismäßig sehr brauchbare Abbildungen von Häusern und städtischen Ensembles liefern, die häufig gar nicht mehr existieren oder bereits sehr stark verändert worden sind. Franz Zadrazil ist um die Erfahrungen reicher, auf die ein Maler der Gegenwart aufbauen kann (was in diesem Zusammenhang nicht die Fehlinterpretation auslösen soll, es würde behauptet, daß die Malerei im Sinne einer schnurgeraden Entwicklung immer besser werde). Aber er ist auch ein Künstler, der sich Skrupel macht.

Ihm steht der Sinn nach dem Malerischen, nach der ,,bonne peinture". Und er fragt sich gleichzeitig, ob das alles noch einen Sinn habe. Was er macht, sei letztlich L'art pour l'art. Inzucht. Den meisten Menschen gefallen seine Bilder (und Druckgraphiken) auf Grund von Mißverständnissen. Die Leute kauften, meint er, gleichsam die Geschichten ein, die kleinen Bildanekdoten, die auf ihnen erzählt werden. Die Anstrengungen der Malerei, auf die es Zadrazil ankommt, würden kaum erkannt. Nicht, daß er sich als großer Unverstandener fühlt, aber er fragt sich gleichsam nach der Relevanz von Kunst, wie er sie produziert: "Man hetzt hinter dem absoluten Ton her, für ein paar wenige, die ihn dann wirklich hören." Malerei, findet Zadrazil, sei heute ein Amedium.

Eine derartige sehr nüchterne Einschätzung der (eigenen) Kunst hängt eng mit persönlichen Erfahrungen zusammen. Zadrazil war als Künstler Spätstarter, er entschloß sich erst mit sechsund-zwanzig Jahren, die Akademie zu besuchen, und war bis vor kurzem Postbeamter, die letzten Jahre allerdings auf Karenzurlaub. Franz Zadrazil hat das Leben auch von einer anderen Seite her kennengelernt. Nicht nur aus der häufig sehr engen, begrenzten Sicht des Künstlers. Überschätzung seiner Möglichkeiten liegt ihm fern. Messianismus, der Glaube, heute noch mit Bildern eine Heilsbotschaft verbreiten zu können - solche wahnwitzige Selbstüberheblichkeit des Künstlers ist ihm fremd.

Je länger Franz Zadrazil malt, desto wichtiger wird für ihn das Malerische. Trotz der Überlegungen, die er anstellt. Die ,,interessanten" Perspektiven, die Überschneidungen, alles das, womit er früher noch Raumillusion beschworen hat, sind aus den Bildern, die er in den letzten Jahren malte, verschwunden. Er zieht jetzt gleichsam das zweidimensionale Sujet der Fassade in die zweidimensionale Bildfläche nach vorne. Das Bild wird zum flächig gesehenen Fassadenausschnitt, wobei die Ausschnitte häufig so gewählt werden, daß fast an Mondrian erinnernde Flächenunterteilungen entstehen. Gleichzeitig wird die Malerei immer malerischer, die Erzählung mit der Betonung des Skurrilen und der Pointierung des amüsanten architektonischen Details immer unwesentlicher. Die Spuren von Abbröcke-lungsprozessen, die Verfallserscheinungen an Fassaden und Geschäftsportalen - das alles wird immer mehr in Malerei aufgelöst.

Zu Beginn seiner Malerkarriere war das anders. In der Akademiezeit hatten ihn eine Weile die übersteigert verzerrten Wien-Ansichten der Wiener Mohammedaner, eines Muhammad Mally, beeindruckt. Auf einem Bild aus dem Jahr 1968, das seinen Wiener Lieblingsort, die Stadtbahnbrücke bei der Wienzeile, wiedergibt, gerät die Stadtlandschaft in Bewegung, als ob sie von einem Erdbeben geschüttelt würde. Häuser stehen schief, die Pylonen der Brücke streben nach verschiedenen Richtungen auseinander, die Eisenverstrebungen biegen sich durch. Von solcher Dramatisierung des Sujets ist Zadrazil wieder abgekommen, wobei er gerne zugibt, daß Rudolf Hausner, den er als Lehrer sehr schätzt, seinen weiteren Weg entschieden hat. Ein Vorstadthaus mit der Reklameinschrift einer Gipsfirma war der unmittelbare Anlaß. Als Hausner das Bild sah, auf dem Zadrazil das Sujet dargestellt hatte, gab er ihm unmißverständlich zu verstehen, daß er in dieser Richtung weiterarbeiten müsse. In Ansätzen war da schon vorhanden, was Zadrazil heute auszeichnet. Auch die Freude am Malerischen.

Noch ein zweiter Lehrer hat, und schon vor Rudolf Hausner, Zadrazil wesentlich mitgeformt. Ernst Höffinger, selbst ein Maler von Graden, Franz Zadrazils Zeichenlehrer in der Mittelschule und heute längst ein guter Freund. Er hat ihn viel von dem sehen gelehrt, das noch heute in seinen Bildern eine wichtige Rolle spielt. Das plastische Gewurl an den Fassaden, die verschiedenartigen Rottöne von Dachziegeln, die Kleinigkeiten und ihre verschiedenartigen Schattierungen, aus denen sich das Ganze aufbaut. Durch Höffinger ist er später zur Künstlergruppe "Der Kreis" gestoßen, nachdem er 1971 mit Jahrgangskollegen von der Akademie (Gansert, Helnwein, Wahl, Moog und Molk) im Französischen Saal des Künstlerhauses - die Gruppe nannte sich damals ,,Zötus" - ausgestellt hatte.

1972 errang er in einem Wettbewerb der Zentralsparkasse - Thema: Das Wiener Stadtbild - den ersten Preis. Und wurde alsbald als Photorealist etikettiert. Zadrazil versichert, daß er, als er sich 1969 an die ersten Fassadenbilder machte, keine Ahnung von dem neuen Modetrend hatte, der 1972 auf der documenta 5 in Kassel seinen Höhepunkt erreichte. Gewiß ist aber Franz Zadrazils Malerei in ihren Ansätzen auch im Zusammenhang mit einem neuen Wirklichkeitsverständnis in der Kunst Ende der sechziger Jahre zu sehen, mit einem neu aufgeflammten Interesse an der Umwelt, an der Natur, vor allem aber an der städtischen Umgebung. Erst in diesem Kontext, in den auch die verschiedenen Denkmalschutz- und Altstadterhaltungsbestrebungen gehören, sind die Fehl- und Überinterpretationen, die Zadrazils Bilder erfuhren, ganz zu verstehen.

Kunst, die ankommt- und Zadrazils Bilder sind angekommen - stillt meist bestimmte Bedürfnisse <4er Zeitgenossen. Dabei ist es gleichgültig, ob die Intentionen des Malers ursprünglich auf solche Bedürfnisstillung gerichtet waren oder nicht, ob er dem Zeitgeist bewußt Rechnung trägt oder ob er unbewußt eine Zeitstimmung erspürt, ihr vielleicht sogar unterliegt. Die Periode, in der der Zierat von Fassaden abgeschlagen werden konnte, ohne daß sich Widerspruch regte, war Ende der sechziger Jahre vorbei. Man entdeckte den Jugendstil wieder und die Gründerzeit, das Ornament, lange Zeit hindurch verpönt, kam wieder zu Ehren, Architekturtheoretiker und Psychologen fanden heraus, daß die Nüchternheit des doktrinären Funktionalismus dem Menschen seelisch schade.

Es ist auch hier wieder gleichgültig, ob da nun zeitlose Wahrheiten entdeckt wurden (von denen es fraglich ist, ob es sie überhaupt gibt) oder nur der Zeit entsprechende Theorien zeitbedingt zum Durchbruch kamen; es hat schließlich umgekehrt auch in der ornamentfeindlichen Epoche Menschen gegeben, die das Ornament in der Architektur und reich instrumentierte Fassaden schätzten und liebten, sogar verteidigten. Sicher ist, daß der Maler Franz Zadrazil mit seinen persönlichen Vorlieben sozusagen auf gleicher Welle mit Zeitempfindungen lag, die immer stärker auch in den Medien Niederschlag fanden und derart weiter verbreitet wurden. Daß man in ihm mehr den malenden Dokumentaristen sah als den Maler war ein seinem Durchbruch offensichtlich förderliches Mißverständnis.

Aber auch wieder - und das muß man relativierend festhalten - nicht nur ein Mißverständnis. Der Maler verhält sich ja nicht grundlegend anders als seine Mitmenschen. Auch wenn Franz Zadrazil die Häuser und Häusergruppen, die Geschäftsportale und Fassadenzonen beim Malen verwandelt, so steckt doch der magische Aneignungstrieb dahinter, von dem jeder Mensch in der einen oder anderen Form besessen ist. Mit jedem ,,Klick" des Verschlusses nimmt etwa der Photograph etwas für sich in Besitz. Zadrazil eignet sich die Dinge gleich zweimal an. Wenn er photo-graphiert und wenn er malt. Auch Malen ist ein Akt des Festhaltens, des Aneignens, des Fürsichgewinnens. Zadrazil photographiert und malt (und nimmt damit in Besitz), was ihn fasziniert, was ihm gefällt. So gesehen, findet seine Malerei gewissermaßen auf zwei Ebenen statt. Daß das, was sich auf der einen, auf jener der reinen Malerei abspielt, von weniger Menschen verstanden und goutiert wird, ist, was ihm Kopfzerbrechen verursacht, ihn eine skeptische Haltung im Hinblick auf seine soziale Rolle einnehmen läßt.

,,Bei einem wirklich vielschichtigen Bau oder einer städtebaulichen Situation will das Auge bei seiner Suche nach der Einheit des Ganzen nicht zu schnell, nicht zu leicht zufriedengestellt werden", schreibt der amerikanische Architekt Robert Venturi in seinem Buch ,,Komplexität und Widerspruch in der Architektur". Ein Satz, der, entsprechend abgewandelt, auch für Franz Zadrazils Malerei Geltung hat.
     Harald Sterk

Ausschnitte aus einem Gespräch, das Gerbert Frodl am 8. März 1979
mit Franz Zadrazil geführt hat.

F: Ich würde jetzt gern von Ihnen hören, wie der Werdegang Ihrer Bilder aussieht - in technischer Hinsicht. Sie machen ein Foto, erhalten dann ein Negativ, das Sie an die Wand projizieren.
Z: Meistens mal ich auf Novopanplatten, die beidseitig grundiert sind mit einem Kreide-Leim-Grund. Der klassische magere Grund. Die Zeichnungen nach der Projektion schauen sehr verschieden aus. Einmal passiert da sehr viel, sehr genau gezeichnet; oder einmal passiert nur sehr wenig, da wird nur angedeutet, wo die Sachen sitzen - Flecken, Flächen. Und dann gehts völlig unterschiedlich los: Entweder ich fang gleich an zum Hinaufpappen. Gewöhnliche Ölfarbe. Meistens mal ich mit einem Malmittel, das mit Terpentin stark verdünnt ist. Ich mach mir sehr wenig Sorgen, wie es den Bildern gehen wird, später einmal.
F: Sie meinen im konservatorischen Sinn?
Z: Ja. Ich verwende neben der Ölfarbe relativ viele Mittel, die professionelle Schildermaler verwenden - Kunstharzlacke usw. Die Sachen halten aber gut. In den zehn Jahren, seit ich so male, hab ich keine Veränderungen bemerkt. Wahrscheinlich ist das so, weil die verschiedenen Schichten sehr dünn und daher elastisch sind.
F: Also keine Probleme für die Nachwelt. Dem Betrachter Ihrer Bilder fällt aber zuerst das "Was" ins Auge und erst danach das "Wie". Und er wird sich fragen, auf welche Weise Sie zu Ihren Motiven kommen.
Z: Na ja, da sind die zwei Möglichkeiten: gezielt oder zufällig. Gezielt ist so: wenn ich in fremden Städten bin, wo ein bestimmter Zeitdruck herrscht, da ist der Fotoapparat immer dabei, und ich geh herum und such fündige Gegenden, in denen sich möglichst viel abspielt in meiner Richtung.
F: Vorstadt?
Z: Ja, eher schon. Schon aus Angst vor dem ,,schönen" Stadtzentrum, wo alles abgeschaut ist, wo es keine weißen Flecken mehr gibt. Aber auch das Gspür spielt eine Rolle, wo es dichter, reicher wird. Natürlich ist Abbruch und Slum verlockend; bringt für mich aber gar nicht so viel, weil ich lieber die Sensation in dem, was man normal nennt, entdecke.
F: Und die andere Möglichkeit?
Z: Mit den ungezielten, den zufälligen Funden ist das so: wenn ich unterwegs bin, reißt's mich - also das muß ich machen -, dann geh ich wieder hin, mach das Foto - oder auch nicht.
F: Warum - oder auch nicht?
Z: Weil's sein kann, daß es schon abgedacht worden ist über die Nacht, weil's zu dünn geworden ist durch den zeitlichen Abstand, der Gag zu schwach geworden ist oder auch zu stark. Auch kann es sein, daß es einer Sache zu ähnlich ist, die ich schon einmal gemacht hab, oder es steht ein Lastwagen, ein riesiger, davor.
F: Geht es auch umgekehrt - daß eine Sache, die Ihnen nie aufgefallen ist oder die Sie nie bemerkenswert gefunden haben, plötzlich ins Auge springt?
Z: Ja, das kommt sehr häufig vor, daß es einen plötzlich reißt bei Sachen, an denen man schon ewig vorbeigegangen ist. Nachdem ich zwanzig Jahre Stadtbahn gefahren bin, ist mir aufgefallen, wie traumhaft schön die abgeblätterten Wände in den Hallen sind.
F: Dann sehen Sie also etwas: so eine Wand, ein Geschäftsportal, eine Fassade. Haben Sie dann sofort eine Vorstellung von dem, was daraus werden könnte?
Z: Nein, überhaupt nicht, oder eine völlig falsche. Es ist oft so, daß mir der Gag an der Sache imponiert, und letztlich wird's eine formale Angelegenheit, wenn ich's dann mach. Und umgekehrt so, daß ich bei einer Geschichte, die mich formal anspringt, daß ich sie dann völlig ausmal, weil ich eine Geschichte, eine Assoziation drinnen gefunden hab. Das kann ich vorher nie wissen.
F: Das heißt, es ergibt sich die endgültige Form - oder eine Form überhaupt - erst im Lauf der Arbeit.
Z: Das ist richtig.
F: Die Idee . . .
Z: Die Idee - da kommt die Ausschnittsuche dazu und vor allem die Brauchbarkeit des Fotos. Es entstehen ja große Verzerrungen. Da muß man sehr viel herumbasteln.
F: Sie haben also ein Foto - meistens schwarzweiß oder immer schwarzweiß?
Z: Immer schwarzweiß, weil ich kein Vertrauen zum Farbfoto hab, weil das einfach nie stimmt und vor allem viel mehr verzerrt. Ein Schwarzweiß-Foto ist viel realistischer als ein Farbfoto.
F: Wann und wie sind Sie auf die Idee gekommen zu projizieren?
Z: Ja, mein Gott! Idee! Das ist eine Geschichte, die einfach passiert ist. Ich hab sehr viel fotografiert- und zwar ganze Gegenden und Landschaften, die mir imponiert haben und wo ich viel Substanz gespürt hab.
F: Hat das schon mit richtigen Arbeitsvorlagen zu tun gehabt?
Z: Nein, noch nicht. Das war eine reine Fotogeschichte. Wenn es wo stimmungsvoll war oder wenn es ein bißl Atmosphäre gehabt hat
- das war dann in den Fotos meistens weg. Dann bin ich draufgekommen, daß das alles Sujets waren, die für mich nicht malbar waren.
F: In welchem Sinn - nicht malbar?
Z: Das waren in die Tiefe gehende Landschaften mit sehr vielen kleinen Geschichten, mit Perspektive - ganz nach hinten. Und das war einfach nicht zu machen, weil es zu einer Malerei hingeführt hätte, die für mich schon sehr abgespielt war. Dann bin ich draufgekommen, daß genau diese Stimmungen auch in zweidimensionalen Objekten drinnen sind
- also nur in Wänden -, und die waren für mich dann erfaßbar. Draufgekommen bin ich eigentlich auf das große Format und auf die Freude an der Struktur, wie ich meine Wohnung hergerichtet habe. Da hab ich angefangen, Dämmplatten zu spachteln. Die waren zuerst gelb, und dann hab ich mit einem weißgelblichen Kitt verspachtelt. Und da bin ich plötzlich draufgekommen, was das für feine Werte sind. Darum hab ich auch die ersten Bilder auf Dämmplatten gemalt.
F: Bei diesen Zimmerwänden war es doch auch der Reiz des Zufalls, der Sie angezogen hat. Und bei Ihren frühen Bildern gab es auch Effekte, die vom Zufall bestimmt waren.
Z: Ja. Der Zufall spielt auch heute noch eine große Rolle bei den Bildern. So kontrolliert die Sachen ausschauen, es ist sehr viel dem Zufall überlassen, weil der Anfang völlig ungeplant ist. Ich weiß nie, wie ich ein Bild anfangen werde. Es schaut ja nach jeder Projektion anders aus. Entweder ist sehr viel draufgezeichnet auf die Platte, oder es ist ganz wenig drauf.
F: Ein unfertiges Bild zu fotografieren und das Negativ wieder zu projizieren und dann weiter zu tun ...
Z: Das hab ich mir schon gedacht. Ein Bild stehen zu lassen und das nächste anzufangen. Von einem Gegenstand fünf Bilder zu machen. Das ist derselbe Effekt, als hätte man Filmnegativmaterial fünf verschiedenen Leuten zum Schneiden gegeben.
F: Hätte das mit Malerei noch viel zu tun?
Z: Ja, das weiß ich eben auch nicht. Ich bin sehr ungeschickt. Das klingt komisch, weil alles perfekt ausschaut. Aber im Prinzip ist alles unrichtig und unperfekt.
F: Die Leute, die das Bild anschaun, glauben, es sei perfekt.
Z: Und für die muß ein Bild leicht ausschaun. Nicht geplagt. Aber ich muß mich unheimlich plagen. Dadurch entstehen automatisch Korrekturen: wegwaschen, noch einmal drüber.
F: Sie haben mir von Ihrer Lust, von Ihrem Drang zum Weitermalen erzählt. Daß Sie ein ,,unfertiges" Bild nicht stehen lassen können.
Z: Das ist fast eine zwanghafte Geschichte. Es ist oft so, daß ein Bild unheimlich gut ausschaut- durch Zufall, wenn da viel Flecken stehen. Der Aquarell-Effekt mit viel Weiß. Daß also ein Bild sehr reizvoll ist, manchmal klaß aussieht, völlig abstrakt ist und abstrakte Möglichkeiten zum Weitermalen sich ergeben. Also nicht, daß man sagt: da ein bißl dazu - ist schon fertig. Und ich hab immer höchstes Mißtrauen, wenn ein Bild "pfluscht", wenn es glatt geht, wenn alles sitzt und wenn es gut ausschaut.
F: Machen Sie sich eigentlich Farbnotizen, wenn Sie ein mögliches Bildmotiv entdecken, es in sich aufnehmen, fotografieren?
Z: Nein, bewußt nicht. Aber natürlich wird von der Stimmung her ein Eindruck da sein, und da wird es keine eklatanten Unmöglichkeiten geben. Palmers ist grün - wie schon gesagt.
F: Sie bleiben also im Rahmen der Wahrscheinlichkeit.
Z: Versuch es aber mit Wahnsinnigkeiten, die von mir kommen, die aber dann nicht auffallen. Völlig unrealistische Sachen, die voll akzeptiert werden.
F: Das Verfremden von Farben und von Dingen macht Ihnen einfach Spaß.
Z: Ja. Eigentlich ist es schon so, daß ich gern einen Nachvollzug hätte. Das ist ja dann ein eigenes Kapitel - über Kontakt, Publikum, Resonanz usw. Aber meistens ist es so, daß die Leute viel zu schnell an den Bildern vorbeigehen. Trotz meiner vielen Unrichtigkeiten und lancierten Unorthodoxheiten vereinnahmen sie die Bilder, wie sie den amerikanischen Realismus kassieren, der bewußt auf einer Illusion aufgebaut ist. Mir passiert immer wieder, daß ich die Betrachtungsgewohnheiten der Leute falsch einschätze. Sie schauen oberflächlich über das Bild hinweg. Ich habe ein Bild von Mikl gesehen - Tuschglas und Vase -, das war deutlich zu erkennen. Er hat erzählt, daß viele Leute das nicht sehen.
F: Sie bauen ja Ihre Bilder nicht eigentlich auf der Illusion auf. Sie wollen auch, denke ich, Stimmungen im Betrachter Ihrer Bilder auslösen.
Z: Das ist jetzt schwierig. Der Realismus taugt mir deshalb so, weil er die Persönlichkeit, zumindest in der Theorie, möglichst ausschaltet. Ich hab furchtbar Angst vor dem Herzerl. Und der Realismus scheint mir die Möglichkeit zu bieten, das Herz auszuschalten.
F: Das scheint Ihnen gelungen zu sein.
Z: Na ja. Wenn Sie aber sagen, es sind Stimmungen drin, dann ist ja Herz drin.
F: Sicher. Aber in dem Augenblick, in dem Sie finden, daß diese Türen, die vielleicht braun oder grün waren, orange sein sollen, weil das zur Schrift da oben oder zum Gesamtcharakter des Bildes besser paßt, wie Sie ihn sich mit der Zeit immer klarer vorstellen -in dem Augenblick erzeugen Sie ja etwas, was unrealistisch ist, Sie nehmen etwas von sich selbst ins Bild hinein.
Z: Das laßt sich ja nicht vermeiden.
F: Das Finden von Motiven ist eine emotionelle Angelegenheit, die Umsetzung ins Bild eine Arbeit, die mit Gefühlen nichts zu tun hat.
Z: Aber Sie haben recht damit, daß es die Leute als Stimmung registrieren. Und es kommen ja sehr viele Sachen heraus, die ich sicher nicht hineingegeben habe, wie pessimistisch und morbid, traurig und dumpf usw. Also das sind Sachen, die ich mit großer Verwunderung höre.
F: Es ist aber so. Derartige Eindrücke hat man vor vielen Ihrer Bilder.
Z: Da kann ich nichts dafür.
F: Sie wollen die Erzeugung von Stimmung gar nicht?
Z: Nein, überhaupt nicht. Für mich ist das eine ganz coole Umbauarbeit an der Wirklichkeit, bis alles in meine Vorstellungswelt von einem Bild oder von der Malerei hineinpaßt. Im Prinzip ist das eine L'art pour l'art Angelegenheit, reine, konkrete Malerei.
F: Damit unterscheiden Sie sich aber - jetzt abgesehen vom Technischen . . .
Z: Ich bin untechnisch.
F: ... doch auch wesentlich vom Fotorealismus.
Z: Ja sicher. Obwohl ja die Fotorealisten sehr sauber malen. Die amerikanischen Bilder sehen immer aus, als ob New York in der Schweiz läge. Es ist alles unheimlich glatt und unheimlich dünn gemalt. Von einer ganz anderen Richtung der Auffassung von der Malerei herkommend. "Wie ist das gemacht?" soll sich das Publikum fragen.
F: Noch einmal zu Ihren Motiven.
Wenn Sie etwas sehen, sich vorstellen, "da könnte ich etwas daraus machen", dann ist das oft etwas Merkwürdiges, etwas, das nicht ganz zu unseren Vorstellungen von gut und sauber entspricht. Eine halbverwaschene Reklamewand, eine fleckige Feuermauer usw. Das wird dann durch die Veränderungen, die Sie unter Umständen anbringen, noch merkwürdiger, vielleicht sogar ein wenig skurril. Kommen Sie während der Arbeit an einem Bild auf Ideen,die solche Eindrücke noch verstärken können?
Z: Ja sicher. Ja, ich trag schon dick auf.
F: So etwa, wie ein Porträtmaler, der eine charakteristische Eigenheit eines Mannes besonders hervorhebt?
Z: Richtig. Aber ich fürchte, das ist etwas geschmeichelt.
F: Sie haben mir einmal erzählt, daß Sie öfter vor der Entscheidung stehen, ob Sie ein Motiv einrahmen, das heißt also, etwas so wiedergeben, wie es "ist", oder ob Sie stilisieren, vereinfachen, verändern sollen.
Z: Ja, das liegt in der Natur des Objektes, und es hängt damit zusammen, was es wird. Ich weiß vorher noch nicht, ob es ein "Porträt" wird, ein genaues, oder ob ich damit was mach - also hin zur Kunstgeschichte, ich meine zu bewußt und unbewußt angesammelten Erfahrungen und Zwängen, zur Tradition. Das hängt davon ab, wie stark die Sache in sich selber ist. Am Anfang war das noch viel stärker. Und wahrscheinlich ist das in der Zeit gelegen, Ende der sechziger Jahre, wo gleichzeitig die Dialektwelle entstanden ist, wo auch nichts anderes passiert ist, zum Beispiel beim Wolfgang Bauer in ,,Magic afternoon". Wo seine Tonbandaufzeichnungen in Szenen gefaßt worden sind, quasi eingerahmt ins Theaterstück. Und das hab ich lange Zeit auch so gemacht: daß ich etwas gefunden hab, das in sich so gut war- schon rein von der Komposition der Dinge her, die drinnen waren. Die mußte ich dann einfach übernehmen, und ich habe den Versuch gemacht, das möglichst realistisch zu malen und einfach die Geschichte von dort, wo sie war, wegzunehmen. Journalismus.
F: Meinen Sie Reportage, wahre Geschichten aus dem Leben?
Z: Zum Teil. In letzter Zeit geht's eher dorthin: vom offensichtlichen, vom geschwinden Gag weg zur artifiziellen Geschichte, zum Umbau, zur Reduzierung. Früher bin ich fast wie die Amerikaner bis zur Wiedergabe der kleinsten Schrift gegangen. Das wird jetzt immer großzügiger, und es wird möglich, daß ich bewußt was vergesse. Das hätte ich früher nicht gemacht.
F: Daß die Realität Ihnen nicht nur zu wenig war, sondern daß sie Ihrer Vorstellung von richtig nicht entsprochen hat.
Z: Ja.
F: Wenn wir schon über den Begriff Realismus sprechen, so drängt sich die Versuchung auf, den Vergleich mit den Fotorealisten anzustellen; mit den Amerikanern, den Deutschen. Sie haben ja eine ganz bestimmte Vorstellung, wodurch sich Ihre Malerei von diesen unterscheidet.
Z: Also zunächst- ich will mich nicht krampfhaft unterscheiden. Trotzdem Unterscheidung: die erste haben wir ohnehin schon kurz angerissen. Das Herkommen. Die Amerikaner und Deutschen kommen von der Plakatmalerei (ich meine das nicht abwertend), vom Filmplakat, das es nicht mehr gibt. Grützke wäre ein Filmplakatmaler, ein klassischer, der jeden Tag ein Filmplakat hätte malen können. Mein Herkommen: ich hab sehr viel durch den Höffinger in der Mittelschule von der französischen Malerei intus gekriegt. Für mich ist Braque der Chef. Was ich unter Malerei verstehe, ist bei ihm für mich am greifbarsten. Mir gefällt der Arbeiter in ihm. Die erarbeitete Beziehung von Formen und Farben zueinander; dabei die Schlichtheit, das Gefühl für das Materielle der Farbe, für die "Dicke" im Bild. Noch ein wesentlicher Unterschied ist, daß ich mit gebrauchsgraphischen Mitteln nicht arbeite oder nicht arbeiten soll. Mit den Mitteln des geschwinden Effekts. Da gehört auch das Spiel mit dem Raum und der Tiefe dazu. Bei mir sind die Sachen nicht so richtig; sie sind "ungekonnt" erarbeitet. Aber dafür sind sie "dicker" und malerischer.
F: Sie sind wesentlich malerischer. Das ist doch ein sehr österreichischer Zug.
Z: ja, das stimmt.
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